Beweislast bei Hygieneverstoß im Krankenhaus

Die Krankenhaushygiene

In einer Veröffentlichung des Bundesministeriums der Gesundheit vom 29.11.2021 wird darauf hingewiesen, dass jährlich in Deutschland 400.000 – 600.000 Patienten an Krankenhausinfektionen erkranken und etwa 10.000 – 20.000 von ihnen versterben. Obwohl das Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine Reihe von Bestimmungen aufführt, die der Verhütung und Bekämpfung von nosokomialer Infektionen ¹ dienen soll, hat auch das Hygieneförderprogramm, das im Jahr 2013 zum ersten Mal an den Start ging, die Zahl an Krankenhausinfektionen nicht senken können. Das Gesundheitsministerium sieht es als bewiesen an, dass die wichtigste und einfachste Maßnahme zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen die ausreichende Desinfektion der Hände darstellt.

Die Waffengleichheit zwischen Patienten und Krankenhaus ist nicht gegeben

Nicht selten entscheiden Gerichtsprozesse, wer welche Tatsache vortragen muss (Darlegungspflicht) und wer den Beweis hierfür zu erbringen hat. Wenn der klagende Patient einen Behandlungsfehler nachweisen will, der im Kausalzusammenhang mit dem jetzt eingetretenen Gesundheitsschaden steht, ist er als medizinischer Laie kaum dazu in der Lage. Der Wissensvorsprung des beklagten Arztes ist unaufholbar und bei einer Operation unter Vollnarkose für den Patienten unbeweisbar.

Der Bundesgerichtshof dazu

Daher hat der Bundesgerichtshof (BGH), gerade in der Darlegungs- und Beweislast von Hygienefällen einen neuen Weg bestritten. Einschränkungen der Darlegungslast des Patienten könnten sich nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen auch insoweit ergeben, als der Patient außerhalb des von ihm vorzutragenden Geschehensablauf steht und ihm eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Der Prozessgegner aber würde dagegen alle Tatsachen kennen und es sei ihm zumutbar, sämtliche nähere Angaben zu beschaffen. So hat die Behandlungsseite nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast auf alle Behauptungen des Patienten mit präzisen Angaben zu erwidern. Die Anforderungen an die Darlegungslast der Behandlungsseite bestimmen sich dabei weitgehend nach den Umständen des Einzelfalles.

Was war geschehen?

Eine an Diabetes erkrankte Patientin wurde neun Tage lang stationär in einem Krankenhaus behandelt. Während ihres Aufenthaltes wurde eine Magenspiegelung und eine Koloskopie (Darmspiegelung) durchgeführt. Gleichzeitig bekam sie eine Schmerztherapie. Drei Tage nach ihrer Entlassung wurde sie erneut eingewiesen, weil die Schmerzen erheblich zugenommen hatten und es ständig zu Blutzuckerentgleisungen kam. Aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustandes und einer vermuteten Lungenentzündung wurde sie mit verschiedenen Antibiotika und Cortison behandelt. Sechs Tage nach der zweiten Einweisung verstarb die Patientin an einer schweren Sepsis (Blutvergiftung). Im Nachhinein wurde in einer Blutkultur der Keim Staphylococcus aureus² nachgewiesen

Daraufhin verklagten die Angehörigen das Krankenhaus wegen Hygienemangels

Die Kläger führten an, dass die Patientin fehlerhaft behandelt wurde und die Hygieneverstöße während ihrer Behandlungszeit offensichtlich gewesen wären. Nach zwei verlorenen Instanzen beschäftigte sich der BGH mit dem Fall und stellte fest, dass in diesem konkreten Fall Versäumnisse der Vorinstanzen zu beobachten wären. Man hätte von der beklagten Seite abfragen müssen, welche Maßnahmen zur Sicherstellung der Hygiene konkret ergriffen und welche Maßnahmen zum Infektionsschutz getroffen worden sind. Das alles wäre durch Vorlage von Desinfektions- und Reinigungsplänen leicht realisierbar gewesen. Man hätte dabei auch die Hausanordnungen und den Hygieneplan studieren müssen. Das BGH gab den Klägern recht.

Fazit

Bedingt durch die Corona-Pandemie wurden im letzten Jahr ungefähr 2,5 Millionen weniger Behandlungsfälle in den Krankenhäusern versorgt und gleichzeitig gut 690.000 weniger Operationen durchgeführt. Das hat aber nicht dazu geführt, dass das Gesundheitsministerium die Schätzung von 400.000 – 600.000 Krankenhausinfektionen pro Jahr kleiner rechnete.

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¹Unter einer nosokomialen Infektion versteht man eine Infektion, die Patientinnen und Patienten im Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme erwerben, die zum Beispiel in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder auch in ambulanten Praxen erfolgt ist.

²MRSA (Methicillin-Resistenter Staphylococcus Aureus) steht für Bakterienstämme der Staphylococcus aureus. Bakterien dieser Art kommen auf der Haut und den Schleimhäuten von vielen gesunden Menschen vor. Diese Bakterien können gegen das Antibiotikum Methicillin und auch die meisten anderen Antibiotika resistent, also unempfindlich werden.